Zwei Jahre nach dem Brexit machen sich die Folgen des Ausstieges Großbritanniens aus der Europäischen Union bemerkbar. Dies betrifft auch die EU-Vorschriften zur Regulierung der Finanzmärkte, welche nun für das Vereinigte Königreich als unabhängigen Staat nicht weiter gelten. Die London Stock Exchange Group, kurz LSEG, sieht darin neue Möglichkeiten für private Unternehmen. Im November 2021 hat die Regierung des United Kingdom der FCA (Financial Conduct Authority), also der höchsten Instanz zur Finanzmarktregulierung, den Auftrag erteilt, die Wettbewerbsfähigkeit eben dieses Marktes zu fördern. Es sollen so Möglichkeiten für neue, vielfältige Wege zum Börsengang und zur Steigerung der Kapitalbeschaffung von schnell wachsenden Unternehmen geschaffen werden, um das Wirtschaftswachstum nach dem Brexit anzukurbeln. Die regulären Tätigkeiten der FCA, nämlich die Wahrung von Stabilität und Verbraucherschutz bleiben aber immer noch die oberste Priorität des Institutes.

 

Das Ende von London als Finanzzentrum der EU

 

London hat sich in den letzten Jahrzehnten den Namen als Finanzzentrum Europas verdient. Doch mit dem Austritt aus der EU hat sich die Lage verändert. Die Regulierungen, welche zum Beispiel den Aktien-An- und Verkauf zwischen dem United Kingdom und Unternehmen in der EU bestimmen, sehen es vor, dass dieser auf europäischem Boden stattfinden muss. Noch dazu kommt, dass Brüssel neue Regelungen hinsichtlich Bankgeschäften zwischen nicht-EU Staaten und EU-Staaten plant. Diese sollen noch bestehende Sonderregelungen zwischen der EU und bestimmten Nicht-Mitgliedstaaten einschränken und stattdessen die Gesetze innerhalb der EU stärken. Damit wären Banken, die in Nicht-EU-Staaten ansässig sind, dazu verpflichtet, entweder eine Zweigstelle oder eine sonstige rechtliche Körperschaft innerhalb der EU zu haben. Schon ab Mitte dieses Jahres soll EU-Banken die Lizenz zum Handel mit Clearinghäusern aus dem United Kingdom entzogen werden. Viele sehen dies als Antwort der EU auf den Brexit.

 

Das Hybridmodell der London Stock Exchange Group

 

Großbritannien kann die Vorschriften seines Finanzmarktes nun wieder selbst regeln. Um diese wiedergewonnene Freiheit effektiv zu nutzen, soll bald ein neuer Weg zum Börsengang für schnell wachsende, private Unternehmen geschaffen werden. Ein Hybridmodell soll der zunehmenden Abnahme an Börsengängen, welche die London Stock Exchange Group in den letzten Jahren verzeichnet hat, entgegenwirken. Im Jahr 2020 wurden nämlich nur 1.989 Börsengänge im Vergleich zu 2.365 fünf Jahre zuvor verbucht. Deshalb hat die LSEG ein sogenanntes Hybridmodell vorgeschlagen, welches es Privatunternehmen ermöglichen soll, maximal fünf Tage pro bestimmtem Handelszeitraum Aktien an der Börse zu verkaufen und somit ihr Kapital zu steigern. Zwischen diesen temporären Börsengängen sollen jeweils ein bis sechs Monate liegen. Des Weiteren sollen durch solche Hybrid-Börsengänge Unternehmen nicht die gleichen strikten Auflagen befolgen müssen wie Unternehmen, die durchgehend an der Börse aktiv sind. Die Regelungen und Formalitäten, die durch den traditionellen IPO-Börsenweg vorgegeben sind, werden entsprechend gelockert. Dieser neue Weg soll als Sprungbrett zum vollständigen Börsengang dienen und Unternehmen dabei unterstützen, mithilfe des öffentlichen Finanzmarktes die dazu nötigen finanziellen Voraussetzungen zu schaffen. Laut Aussage der LSEG soll Unternehmen die Chance geboten werden, Kapital zu erlangen, ohne daran durch strenge formale Auflagen gehindert zu werden. Start-ups und deren anfänglich hinzugezogenen Investoren würde so die Möglichkeit geboten, mehr finanzielle Liquidität zu erzielen, indem sie Anteile an Private und institutionelle Anleger verkaufen. Auch großen Privatunternehmen würde so der Weg zur Börse möglich gemacht. FinTech-Firmen wie die Internetbank Revolut, der Zahlungsanbieter Klarna und der internationale Bank-Transfer-Anbieter Wise hätten laut LSEG so ihr Kapital schneller erhöhen können. Laut einem Vertreter der LSEG gibt es im Vereinigten Königreich durchaus ungenutztes Potenzial, die verschiedensten Unternehmensformen auf ihrem Weg zu unterstützen. Ein zeitweiser Börsengang kann dabei behilflich sein. Allerdings würde dieses vorgeschlagene Hybridmodell die Änderung von bisherigen Vorschriften des Finanzmarktes voraussetzen. Die FCO sowie das Finanzministerium des United Kingdom haben dazu bis jetzt keine Angaben gemacht. Sollten solche neuen Vorschläge jedoch auf offene Ohren bei den Gesetzgebern stoßen, könnte das bedeuten, dass auch andere Finanzmärkte wie der Kryptomarkt oder gängige traditionelle IPOs zukünftig auf mehr Spielraum im Hinblick auf ihre Regulierung hoffen können.

 

SPAC –  Börsengang im U.K.

 

In letzter Zeit hat gerade das SPAC-Verfahren, welches privaten Unternehmen den Börsengang schneller als üblich ermöglicht, Aufsehen erregt. Auch hier ist Großbritannien dem Rest Europas einen Schritt voraus. In der EU haben diese einen eher schlechten Ruf, da sie als riskant für Investoren gelten. Dank einiger erfolgreicher SPAC-Zusammenschlüsse auf dem Kontinent ändert sich diese Einstellung aber langsam. Der Wunsch nach einem schneller wachsenden Finanzmarkt im United Kingdom lässt darauf schließen, dass der SPAC-Boom aus den USA auch in Europa ankommen könnte. Sollten Sie Fragen zum britischen Finanzmarkt und zum potenziellen Börsengang ihre Unternehmens haben, sind wir jederzeit für Sie da. In einem Beratungsgespräch können wir Ihnen einen genaueren Einblick in die Prozedur und die damit verbundenen Formalitäten geben.